Covid-19 Krise

• Während sich der Einzelhandel im Allgemeinen von der Krise erholt hat, verzeichnet der Bekleidungshandel weiterhin Umsatzeinbußen von 21,2 % (real)
• Globaler Luxusmarkt boomt: Teure Kleidung und Accessoires waren in der Krise beliebt
• Im Gegensatz zur hohen Inflation sind Preise für Bekleidung stabil (März 2022 -0,9 % im Vergleich zu März 2021)

Nachhaltigkeit

• Mangelnde Transparenz der Modelabels lassen unabhängige Beurteilung der Nachhaltigkeit der Lieferkette nur bedingt zu
• Chinesischer Onlineshop 'Shein' erobert auch europäischen Markt mit einem 'Ultra-Fast-Fashion'-Modell - unzählige, schnell wechselnde Kollektionen und niedrige Preise werden angeboten
• Nachhaltiger Konsum als Statussymbol: Interessenszuwachs an umweltbewusstem Konsum ist überproportional den 'Glamour-Green'-Konsumierenden zuzurechnen
• Expertinnen und Experten sprechen sich für eine Verlangsamung des Produktionskreislaufs als nachhaltigstes Instrument aus

Wettbewerb

• Österreichische Tochter von Orsay (Ordia Handels Ges.m.b.H) insolvent - nach Abverkauf werden die 52 Orsay-Filialen hierzulande geschlossen
• Northland Outdoor Shop GmbH (22 Filialen in AT) meldet Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung an - vereinzelte Shop-Schließungen erwartet

Globalisierung

• Lieferengpässe und kontinuierlich steigende Rohstoff- und Frachtkosten belasten Lieferketten der Fast-Fashion Industrie
• Aus den vergangenen zwei Krisenjahren bleiben bei Lieferant*innen und Produktionsbetrieben Forderungen von ca. € 38,5 Mrd aus nicht bezahlten oder verweigerten Bestellungen internationaler Modelabels
• Glokalismus: Lokale Produktion gewinnt wieder an Bedeutung

Branchendefinition: Diese Branche umfasst die Unterklasse 47.71 der ÖNACE 2008 und damit –den Einzelhandel mit Bekleidung, Pelzwaren, Lederbekleidung, Bekleidungszubehör (Schals, Krawatten usw.), Kopfbedeckungen sowie Schirmen und Stöcken.

Betriebstypen: Der Bekleidungseinzelhandel weist folgende Betriebstypen auf, wobei eine Differenzierung nach den Bereichen Damenbekleidung, Herrenbekleidung, Wäsche, Trachten und Kinderbekleidung möglich ist:

• Boutiquen: kleine Einzelhandelsgeschäfte (bis ca. 50 m²), die bestimmte Zielgruppen ansprechen, die für ein spezialisiertes Sortiment aufgeschlossen sind. Sie befinden sich vorwiegend in Innenstadt-Lagen und in Einkaufszentren. 
• Bekleidungsfachgeschäfte sind ebenfalls in Innenstadt-Lagen und in Einkaufszentren angesiedelt und bieten oft ein Vollsortiment mit ergänzenden Dienstleistungen an. Der Großteil der Bekleidungsfachgeschäfte ist filialisiert. 
• Bekleidungsfachmärkte bieten ein Vollsortiment, das häufig durch Accessoires, Schuhe oder Lederwaren ergänzt wird, an. Sie verfügen über Verkaufsflächen von mindestens 500 m² an verkehrstechnisch gut angebundenen Standorten mit Parkmöglichkeiten.

Im Jahr 2020 boten die 3.250 Unternehmen im Bekleidungshandel fast 38.000 Personen einen Arbeitsplatz, wovon rund 34.900 unselbstständig beschäftigt waren. Die durchschnittliche Unternehmensgröße lag damit bei etwa 12 Mitarbeiter*innen je Unternehmen. Die Betriebe erwirtschafteten insgesamt Umsatzerlöse in der Höhe von rd. € 4,38 Mrd.
 

Trends

Covid-19 Krise

• Während sich der Einzelhandel im Jahr 2021 mit einem realen Umsatzplus von 2,7 % im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 von der Corona-Pandemie erholt hat, verzeichneten Bekleidungs- und Schuhgeschäfte weiterhin Einbußen von 21,2 % (real). (Statistik Austria, 2022)
• Gründe hierfür sind eine krisenbedingte Zurückhaltung beim Modekauf aufgrund der Einkommensunsicherheit sowie fehlender Bedarf an Mode, da viele Kaufanlässe weggefallen sind. Weitere Ausfälle wurden durch Lieferengpässe sowie höhere Rohstoffpreise und Frachtkosten entlang der Supply Chain verursacht.
• Demgegenüber boomt der Luxusmarkt: Besserverdiener*innen gaben während der Lockdowns ihr Geld für Luxusartikel – unter anderem teure Kleidung und Accessoires – aus, statt für Urlaube und Reisen. Laut Forbes konnte so der Konzern Kering, zu dem die Marken Gucci und Saint Laurent gehören, den Fast-Fashion Konzern Inditex im globalen Ranking der größten Modeunternehmen überholen.
• Verbraucherpreise: Im Gegensatz zur hohen allgemeinen Inflation bleiben die Preise für Kleidung weitgehend stabil, bzw. sind sogar leicht fallend (Beleidung: März 2022 -0,9 % im Vergleich zu März 2021)(Statistik Austria, 2022)

Nachhaltigkeit

• Laut einer Untersuchung von Clean Clothes, in der 264 Unternehmen der globalen Modebranche befragt wurden, halten sich nur 17 % der Unternehmen an Transparenzverpflichtungen bzgl. ihrer Lieferkette. 60 % halten sich an keinerlei Richtlinien. Nur 2 % der Unternehmen geben an, faire Löhne zu bezahlen. (Clean Clothes, 2021)
• Dabei lässt die mangelnde Transparenz der Modelabels und Handelsketten bzgl. ihrer Lieferketten laut der Initiative „Fashion Revolution“ eine unabhängige Beurteilung der Nachhaltigkeit nur bedingt zu. Die Initiative erhebt jährlich die Transparenz der Modeindustrie im Rahmen des „Fashion Transparency Index“.
• Die Kundschaft der Generationen Y und Z nutzt vermehrt Angebote von Kreislaufgeschäftsmodellen (Second-Hand-Mode, Kleidertausch, Re- und Upcycling) und gründet teilweise eigene Initiativen als Alternative zum klassischen Einzelhandel.
• Eine GfK-Befragung von Verbraucher*innen bestätigt, dass Nachhaltigkeit zum Ausdruck eines Lebensgefühls und bewusster Konsum zum Statussymbol statt zum Verzicht geworden ist. Diese Gruppe unter den ökologisch bewusst Konsumierenden wird als „Glamour Green“ bezeichnet und ihr ist laut GFK der Zuwachs des Interesses an nachhaltigem Konsum überproportional zuzurechnen.
• Expertinnen und Experten sprechen sich für die Verlängerung des Produktionskreislaufes als wirksamstes Instrument im Wandel zur Nachhaltigkeit aus.
• Second-Hand-Markt wächst: Welle an Neueröffnungen in den letzten Jahren; bestehende Shops steigen zunehmend in den Online-Handel ein; neue Plattformen, die sich auf den Wiederverkauf der Restbestände führender Modehäuser spezialisieren.
• Globale Akteure der Modebranche erwarten einen strukturellen Umbruch im Handel durch die Expansion des Wiederverkaufsmarktes. Durch umfangreiche Investitionen in digitale, zirkuläre Plattformen bereiten sich große Handelsketten darauf vor. Das Volumen des globalen Second-Hand Marktes soll laut Prognosen in den nächsten fünf Jahren auf 77 Mrd. USD ansteigen und wäre demnach bis 2030 doppelt so groß wie der Fast-Fashion Markt. (e-fundresearch, 2021)

Sonstige Trends

• Eine lange Periode des Eigentumsmarktes bei Geschäftslokalen wird allmählich von einem Mieter*innenmarkt abgelöst. Dadurch bietet sich die Chance für lokale Unternehmer, wieder in der Branche Fuß zu fassen.
• Rückläufige Flächenentwicklung:
  • Der Bekleidungssektor nimmt in den innerstädtischen Toplagen noch fast die Hälfte der Handelsflächen ein, hat aber - durch die Zunahme des eCommerce und nicht zuletzt aufgrund der Coronapandemie – in den letzten 7 Jahren rd. 72.500 m² Verkaufsfläche verloren (S+M City-Retail Health Check, März 2021).

Mitbewerb

Brancheninterner Wettbewerb

• Der Bekleidungshandel in Österreich wird von internationalen Ketten dominiert.
  • Große Bekleidungshändler in Österreich sind C&A und H&M.
• Größte heimische Verbundgruppe für den unternehmergeführten Bekleidungshandel ist der ModeRing: Neben der Rolle als Einkaufsverband bietet der ModeRing seinen Mitgliedern Unterstützung bei Weiterbildungsmöglich­keiten sowie Unterstützung im Hinblick auf Werbung und übernimmt Steuerberatungs- und Lohnverrechnungs­angelegenheiten.
• Nach dem Konkurs des deutschen Mutterkonzerns Orsay eröffnete nun auch die österreichische Tochter, Ordia Handels Ges.m.b.H, am 29. April 2022 ein Insolvenzverfahren. Die Gesellschaft betreibt in Österreich 52 Filialen unter dem Markennamen Orsay, die alle nach Abverkauf geschlossen werden
• Die Grazer Northland Outdoor Shop GmbH meldet nach den Umsatzeinbußen im Zuge der Corona-Krise und dem ausgebliebenen Aufschwung im ersten Quartal 2022 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung an. Es kann zu vereinzelten Schließungen der österreichweit 22 Filialen kommen.

Branchenfremder Wettbewerb

• Versandhandel und Onlineshops (u. a. Zalando, Universal)
  • Der chinesische Onlineshop „Shein“ erobert mit seinem „Ultra-Fast-Fashion“-Geschäftsmodell die Kleiderschränke der Generation Z auch in Europa – durch PR-Kampagnen teils minderjähriger Influencer*innen auf Social Media und Preisen weit unterhalb der Fast-Fashion Konkurrenz.
• Diskonter bzw. Eduscho/Tchibo
• Filialisierter Lebensmitteleinzelhandel
• Sportartikelhandel

Erfolgsfaktoren

• Instagramability, also die visuelle und emotionale Inszenierung der Ware im Laden, nimmt weiter an Bedeutung zu. Mittlerweile nutzen dafür auch kleine Geschäfte ausgeklügelte Beleuchtungskonzepte.
• Geschäftseigene Online-Shops sowie das Anbieten auf geschäftsfremden Online-Portalen werden besonders zu Krisenzeiten immer wichtiger. Online- und stationärer Handel laufen am besten, wenn sich beide Strategien zu einer ergänzen (Multi-Channel-Strategie).
• Alleinstellungsmerkmal und Lage in verkehrsberuhigten Zonen

Lieferanten

• Die Top 3-Länder der österreichischen Bekleidungsimporte sind China, Deutschland und Bangladesch.
• Im Zuge der Covid-19 Krise hat die Globalisierung der Mode einen Dämpfer erlitten:
  • Verweigerte Annahmen und Stornierungen von Aufträgen im Zuge der Covid-19 Pandemie, sowie Skonti, die von Lieferant*innen gewährt wurden, oft auf Druck der Auftraggeber*innen, resultierten in einem unbezahlten Auftragsvolumen von ca. € 38,5 Mrd weltweit (Fashion Revolution, Fashion Transparency Index 2021)
  • Lieferengpässe sowie höhere Rohstoffpreise und Frachtkosten belasten die Handelsketten der Fast-Fashion auf dem durch die Pandemie veränderten Modemarkt. Die Kurzlebigkeit der Branche verstärkt die Lage, denn neue Kollektionen lassen sich oft nur wenige Wochen verkaufen.
  • Glokalismus: Lokale Produktion gewinnt wieder an Bedeutung
• Eine aktuelle Initiative von Designer*innen ausgehend spricht sich für mehr Nachhaltigkeit in der Branche durch neue Saisontermine und effizientere Prozesse in Produktion, Promotion und Vertrieb aus.
• Kreislaufwirtschaft, Re- und Upcycling nehmen auch bei Produzenten weiter an Bedeutung zu. Die Konzepte werden jedoch von Expertinnen und Experten als nicht ausgereift eingestuft, um einen signifikanten Effekt auf die Nachhaltigkeit der Branche zu entfalten.

• Aktuelle Forschung zu Künstlicher Intelligenz: virtuelles Anprobieren, Geschäfte ohne Personal, flexible Preisgestaltung/-auszeichnung.
• Augmented Reality: Beim Vorbeigehen an einem Schaufenster kann man mittels App nachsehen, wie der Artikel heißt, in welchen Farben/Größen er erhältlich ist und ihn per Click auch gleich bestellen bzw. reservieren.
• Die Kundschaft schätzt digitale Tools am POS nur dann, wenn sie zeitsparend oder nutzstiftend sind, aber nicht, wenn sie lediglich der Unterhaltung dienen.
• Fashionable Wearables: Technologie soll nicht nur wireless, sondern unsichtbar in Textilien integriert und wasch-, dehn- und knautschbar sein. Die Integration erfolgt durch Einweben, -stricken bzw. Aufdrucken von elektronischen Leiterbahnen, Sensoren und/oder Aktuatoren. Diese interagieren, reagieren und kommunizieren zwischen Kleidung, Umgebung und Körper.