Ukraine-Krieg

• Geopolitische Risikoaufschläge in der Mineralölindustrie sorgen für einen Preisanstieg für Benzin und Diesel
• Durch finanzielle Sanktionen gegen Russland wird die Zufuhr von Diesel für den österreichischen Markt verringert
• Treibstoffnachfrage bleibt sehr hoch

Diversifizierung der Antriebstechnologien

• Zunahme von verschiedenen alternativen Kraftstoffen und Antriebstechniken
• Bedarf an unterschiedlichen Tank-/Lademöglichkeiten steigt
• Anzahl an Stromlademöglichkeiten an heimischen Tankstellen konstant

Erfolgsfaktoren

• Tankstellen als Servicecenter zur Deckung des täglichen Bedarfs der Kund*innen
• Schaffung von Entertainment-Angeboten
• Ausbau von E-Tankstellen

E-Fuels

• Ökostrom kann mithilfe des synthetischen Kraftstoffs aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen werden
• Klimaneutral, da im Verbrennungsmotor nur so viel Kohlendioxid freisetzt, wie zuvor verarbeitet/gebunden wurde
• Verteilung über vorhandene Infrastruktur in das Tankstellennetz

Branchendefinition: Diese Branche umfasst die Gruppe 47.3 der ÖNACE 2008 (Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen) und damit den Einzelhandel mit Fahrzeugkraftstoffen, den Einzelhandel mit Schmierstoffen und Kühlmitteln für Kraftfahrzeuge sowie Stromtankstellen.

Betriebstypen:

• Company Owned Company Operated (COCO): Anlage ist im Besitz eines Mineralölkonzerns; Mitarbeiter der Tankstelle sind direkte Arbeiter/Angestellte des Konzerns
• Company Owned Dealer Operated (CODO):  Anlage ist im Besitz eines Mineralölkonzerns; Pächter übernimmt selbstständige, operative Führung der Tankstelle; Pachtvertrag/Bezugsvertrag für Kraftstoffe vom jeweiligen Major: Provision pro verkauftem Liter; Erlöse aus Nebengeschäften (Shop, Gastro-Bereich, Waschanlage, etc.) bleiben im Normalfall dem Pächter
• Dealer Owned mit Agenturvertrag (Agenturtankstellen): Betreiber ist Besitzer der Anlage; Agenturvertrag mit einem Major, Verkauf überwiegend in fremdem Namen und für fremde Rechnung; Bezug der Produkte vom jeweiligen Major; Führung des Konzern-/Markenlogos
• Dealer Owned Dealer Operated (DODO):  selbstständiger Tankstellenbetreiber ist Besitzer der Anlage; Bezugsvertrag für Kraftstoffe von einem Major und Führung des Konzern-/Markenlogos möglich

Im Jahr 2020 boten die 1.270 Unternehmen im Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen mehr als 10.800 Personen einen Arbeitsplatz, wovon rund 9.500 unselbstständig beschäftigt waren. Die durchschnittliche Unternehmensgröße lag damit bei etwa 9 Mitarbeiter*innen je Unternehmen. Die Betriebe erwirtschafteten insgesamt Umsatzerlöse in der Höhe von rd. € 2,96 Mrd.
 

Trends

Krieg in der Ukraine

• Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine kam es zu geopolitischen Risikoaufschlägen in der Mineralölindustrie, welche für gestiegene Preise für Benzin, Diesel und Heizöl sorgten. Viele Importeure beziehen aus Solidarität mit der Ukraine kein oder weniger Öl aus Russland.
• Aufgrund der finanziellen Sanktionen gegen Russland sind Zahlungen an russische Banken bereits nicht mehr möglich, was zudem die Zufuhr von Diesel für den österreichischen Markt verringert.
• Generell bleibt die Treibstoff-Nachfrage sehr hoch (Fachverband der Mineralölindustrie, 2022).
• Treibstoffpreise steigen in 2022 (WKO – Mineralölindustrie, 23. Mai 2022).
  • Diesel vorerst teurer als Benzin

COVID-19 Pandemie

• Zukünftige Entwicklung des Kraftstoffverbrauchs noch fraglich:
  • Einerseits gewinnt die individuelle Mobilität gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln im Zuge der Coronakrise wieder an Bedeutung: der Großteil der Autofahrer*innen setzt in Zeiten von Social Distancing vermehrt auf das eigene Auto, um eine mögliche Ansteckung in öffentlichen Fortbewegungsmittel zu vermeiden.
  • Andererseits könnte die anhaltende Tendenz zum Homeoffice und dem damit verbundenen Rückgang des Pendlerverkehrs auch zukünftig mit weniger Kraftstoffverbrauch zu rechnen sein.
• Förderung von E-Mobilität und entsprechender Ladestationen: Im Rahmen einer Förderungsaktion des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) wird im Jahr 2022 die Anschaffung von E-Ladestellen für den betrieblichen Einsatz unterstützt.
• Diversifizierung der Antriebstechnologien macht sich auch an Tankstellen bemerkbar
  • Verschiedene alternative Antriebstechniken und Kraftstoffe (Hybrid, Brennstoffzelle, Biokraftstoffe, Erdgas) nehmen am österreichischen Automarkt kontinuierlich zu, wodurch der Bedarf an unterschiedlichen Tank-/Lademöglichkeiten steigt.
  • Die Stromlademöglichkeit an heimischen Tankstellen ist in den vergangenen sieben Jahren zwar stark angestiegen, blieb aber zuletzt konstant bei 71 Stationen. 50 davon waren an Major-Branded Tankstellen zu finden, es handelt sich großteils um Fast- bzw. Ultra-Fast-Charger (FVMI, 04/2021).
  • An 137 Tankstellen (davon 117 Major-Branded Servicestationen) kann CNG (Erdgas) getankt werden, an 41 Tankstellen LPG (Liquefied Petroleum Gas oder Autogas), an fünf OMV-Stationen kann der Tank auch mit Wasserstoff befüllt werden (FVMI, 04/2021).
• Als Zahlungsmittel können an Tankstellen der Zukunft die sog. emobil Ladekarte sowie Lade-Apps netzübergreifender Elektromobilitätsanbieter (MSPs), wie z.B. die Shell Recharge App, eingesetzt werden (shell.at, 09. Juli 2021).
• Die Doppler-Gruppe verlängert die Zusammenarbeit mit mjam.at und schafft ein innovatives Serviceangebot: An insgesamt 5 Standorten in Österreich können sich Kunden Lebensmittel vom Tankstellenshop liefern lassen.
• Zukunftsszenarien:
  • Tankstellen bleiben nicht mehr klassische Treibstoff-Dienstleister, sondern werden zu 24h Allround-Anbietern: Post-Partner, Paket-Depots, Kaufhäuser, Fitnessstudio, Arbeitsplätze und Cafés.
  • Tankstellen als Knoten- und Anlaufpunkte für diverse Mobilitätsformen (mobility hubs): Zur Anlage gehören Ladesäule, Akku-Wechselautomat, Stellplätze für E-Scooter, E-Roller und Carsharing, Landeplatz für Mikroflieger wie Personendrohnen.
  • Tankstellen der Zukunft haben eine Photovoltaikanlage am Dach und erzeugen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe in einem mehrstufigen chemischen Prozess unter Zufuhr von Öko-Strom selbst.
  • Tankstellen als Servicestationen, deren Warenangebot dem Kunden auf dem Infotainmentdisplay angezeigt wird. Dieser kauft mittels Bildschirmberührung und in-car-payment und bekommt die Ware prompt ans Fahrzeug geliefert.

Mitbewerb

Brancheninterne Konkurrenz

• 2021 gab es österreichweit 1.322 Major-Branded Tankstellen (Mitgliedsunternehmen des Fachverbands für Mineralölindustrie). Davon betrieb die Eni-Gruppe mit 321 Servicestationen die meisten, gefolgt von Shell (235), bp (227), OMV (213), JET (161) und Avanti (137).
  • Von diesen Tankstellen verfügen 1.127 über einen Shop und 840 über ein Bistro. Die Anzahl der Shops (2020: 1.152) und der Bistros (2020: 853) ist im Jahr 2021 leicht gesunken.
  • 409 Major-Branded Tankstellen haben rund um die Uhr geöffnet.
• Daneben gab es noch 1.426 weitere Tankstellen kleinerer Anbieter wie Turmöl, Genol, Avia sowie einige Agrar-Tankstellen.
• In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Major-Branded Tankstellen um rund 13 % zurückgegangen während die Anzahl der sonstigen Tankstellen um rund 34 % zugenommen hat.
• Die Anzahl der Autobahntankstellen (ohne Schnellstraßen) stieg im Jahr 2021 auf 87. Diese sogenannten Full-Service-Stationen bieten vor allem dem Transitverkehr rund um die Uhr umfassenden Service im Shop-, Bistro- und Sanitärbereich.
• Obwohl die Zahl der Stationen in den letzten Jahren gesunken ist, ist das Tankstellennetz hierzulande noch relativ dicht besetzt (5,5 Stationen/ 100.000 Kfz), verglichen mit Deutschland oder Frankreich. Dies ist im Wesentlichen auf die österreichische Topografie zurückzuführen (Branchenbericht Kfz-Wirtschaft, Bank Austria, Sept 2019).
• Der hohe Konkurrenz- und Ertragsdruck des österreichischen Tankstellenmarktes zeigt sich in den relativ geringen Bruttomargen beim Treibstoffabsatz.

Branchenfremde Konkurrenz

• Das stark wachsende Fahrzeugsegment mit batterieelektrischem Antrieb bringt neue Akteure auf den Markt, sodass die Zukunft der Tankstelle immer weniger in den Händen der Mineralölkonzerne liegen wird.
  • Mit steigender Elektromobilität können immer mehr Menschen Autos Zuhause aufladen. Es gibt auch Fortschritte in Richtung Wasserstofftankstellen für Privathaushalte.
  • Volkswagen hat einen Laderoboter entwickelt, der mobil ist und eigenständig mit E-Autos kommunizieren kann (Öffnen der Ladeklappe, das Anschließen des Steckers bis hin zum Entkoppeln) und mehrere Autos gleichzeitig – beispielsweise in einer Tiefgarage – aufladen kann.
• Autohäuser mit zusätzlichen Waschanlagen und Verkauf von Reifen und Schmierölen
• Autowerkstattketten
• Tanklager von Großunternehmen (z. B.: Transport- und Bauunternehmen)
• Kraftstoff-Lieferservice
  • In den U.S.A. gibt es mehrere erfolgreiche Unternehmen in dem Bereich Kraftstoff-Lieferservice (WeFuel, FIlld, FuelMe). Eine derartige Lösung ist umweltfreundlicher. Ein Nutzer kann in Abwesenheit das Auto auftanken lassen. Die Treibstoffpreise sind gleich wie an der Tankstelle allerdings kommt eine Liefergebühr hinzu.

Erfolgsfaktoren

• Tankstelle als Servicecenter: täglicher Bedarf der Kunden im Mittelpunkt (Convenience-Produkte).
• Kooperationen (etwa mit Bäckereien oder Autohändlern bzw. Werkstätten).
• Speisenangebot unter Berücksichtigung aktueller Ernährungstrends (z. B. Regionalität, Craft-Snacks, die Nachhaltigkeit und Qualität verbinden, vegane Snacks).
• Ausbau von E-Tankstellen
• "Dog Wash" Stationen: an einigen Tankstellen gibt es bereits die Möglichkeit, Hunde zu waschen.
• Schaffung von Entertainment Angeboten gewinnt durch längere Wartezeiten beim Aufladen der Elektroautos an Bedeutung.

Lieferanten

• Mineralölkonzerne: Der österreichische Mineralölmarkt ist ein Oligopol mit nur einigen wenigen Anbietern (OMV, BP, Shell, etc.).
  • Die OMV AG betreibt die einzige österreichische Raffinerie in Schwechat in der jährlich ungefähr 9,6 Mio Tonnen Rohöl verarbeitet werden
  • Um die inländische Mineralölversorgung sicherzustellen, sind Importe von Fertigprodukten erforderlich.
• Mineralöllagerung: Für die tägliche Versorgung der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft mit Kraftstoffen und Heizölen sind neben den OMV-Tanklagern in der Lobau, St. Valentin, Graz und Lustenau unter anderem die Produkt-Tanklager von Eni, MOL, ETLB, und TBG von Bedeutung (WKO.at – Mineralölindustrie 2020).
• Großhandel: Die rd. 40 Großhändler für Mineralöl (z. B. Genol GmbH, Turmöl GmbH, AVIA Austria, Roth Heizöle GmbH, etc.) in Österreich beziehen ihre Produkte überwiegend von den oben genannten Mineralölkonzernen bzw. indirekt über Importe von weiteren international tätigen Großkonzernen.
  • Der Großhandelspreisindex für Motorenbenzin (inkl. Diesel) hat sich im Mai 2022 im Vergleich zum Vormonat um 1,8 %, im Vergleich zum Vorjahresmonat um 59,5 % gestiegen.
• Lieferengpässe
  • Der Mineralölwirtschaftsverband bestätigte Lieferengpässe von Benzin und Diesel.
  • Massiver Preisanstieg bei Diesel.
• Tankstellenshopzulieferer
  • Vermehrt gibt es Kooperationen mit dem Lebensmitteleinzelhandel (z. B. Rewe oder Spar) für Tankstellenshops. Großhandelsfirmen (z. B. Kastner, Kienast, Lekkerland) beliefern Tankstellen seltener.

Personal

• Per Ende 2021 waren in Garagen-, Tankstellen- und Servicestationen 15 Lehrlinge tätig, das sind etwas weniger als im Jahr davor (Quelle: Wirtschaftskammer Österreich, Lehrlingsstatistik).
• Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den insgesamt Beschäftigten (inkl. Selbstständigen) lag im Jahr 2019 bei 37,1 % und war somit höher als in der marktorientierten Wirtschaft (26,3 %). Im Vergleich zu 2008 hat sich die Teilzeitquote um 7,7 %-Punkte erhöht (Statistik Austria).

• Elektro-Ladestationen: Mittels Konnektor aus dem Unterboden des Kfz wird sich mit dem Lade-Pad am Boden verbunden. Eine sechseckige metallische Kontaktfläche sorgt für eine flexible Ladeposition.
• Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg forscht seit 2018 an einer Zapfsäule der Zukunft: Diese soll effizient, kostengünstig und bedarfsgerecht Strom, Wasserstoff sowie das Erdgassubstitut Methan aus regenerativen Quellen bereitstellen.
• Smarte Waschanlagen
  • Remote Access: Preisgestaltung, Chemiedosierung und Waschprogramme können vom Betreiber digital angepasst werden.
  • Adaptive Steuerung: situationsabhängige Gestaltung des Verhältnisses von Qualität und Geschwindigkeit bei Waschvorgängen.
  • Wasserrückgewinnung
• Selbstreinigender Lack könnte in der Zukunft die Autowaschanlagen ersetzen
  • Nissan testet beispielsweise eine Nanostruktur-Beschichtung, die schmutzabweisend wirkt.
• E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Ökostrom aus Wasser und Kohlendioxid gewonnen werden (Power-to-Fuel)
  • Vorteil der E-Fuels ist, dass sie bei Einsatz von erneuerbaren Energien für Elektrolyse und DAC als klimaneutral bezeichnet werden können: Sie setzen im Verbrennungsmotor nur so viel Kohlendioxid wieder frei, wie sie zuvor verarbeitet/gebunden haben.
  • Unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur (Schiffe, Pipelines, Raffinerien, Transporter) können die E-Fuels über das Tankstellennetz verteilt werden.
  • Gemeinsam mit der AVL List GmbH arbeitet die IWO Österreich an der Errichtung der modernsten Power-to-Liquid-Anlage Europas zur Herstellung von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen. Die geplante Ein-Megawatt-Anlage kann pro Jahr E-Fuels im Äquivalent von rund 500.000 Litern Diesel produzieren. Die Demoanlage soll Ende 2022 in Betrieb gehen (motor.sn.at, 20.12.2020).