Pandemie bringt Mehraufwand
- Verwaltungsgerichte befürchten erhöhten Aufwand durch Impfpflicht (neuerliche Aktivierung für Herbst 2022 noch offen)
- Justiz muss Delikte wie Urkunden- und Datenfälschung (z. B. Impfausweis) klären
Mietrechtliche Streitigkeiten und ihre Folgen vor den Gerichten
- Im Raum steht auch eine Rückzahlung des Fixkostenzuschusses in bestimmten Fällen
Branchendefinition: Diese Branche umfasst die Gruppe 69.1 der ÖNACE 2008, die Rechtsberatung, und damit
- die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen einer Partei gegenüber einer anderen Partei durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
- Tätigkeiten durch Notarinnen und Notare, Gerichtsvollzieher*innen, Rechtsbeistände, Prüfer*innen sowie Sachverständige
- Tätigkeiten von Patentanwältinnen und Patentanwälten
- Schlichtung von Streitigkeiten in Rechtsfragen
Betriebstypen: Rechtsanwaltskanzleien, Patentanwaltskanzleien, Notariatskanzleien und Praxen von Mediatoren
Im Jahr 2020 boten die 6.490 Unternehmen aus dem Bereich der Rechtsberatung fast 27.700 Personen einen Arbeitsplatz, wovon rund 19.000 unselbstständig beschäftigt waren. Die durchschnittliche Unternehmensgröße lag damit bei etwa 4 Mitarbeiter*innen je Unternehmen. Die Betriebe erwirtschafteten insgesamt Umsatzerlöse in der Höhe von rd. € 3,04 Mrd.
Betriebswirtschaftliche Situation der KMU
Betriebswirtschaftliche Situation der Großunternehmen
Betriebswirtschaftliche Situation der KMU
Betriebswirtschaftliche Situation der Großunternehmen
Kunden
Kunden im Rechtsberatermarkt unterteilen sich grundsätzlich in:
- Privatpersonen
- Unternehmen (natürliche Personen, Personengesellschaften und juristische Personen)
Kundenakquise
- Die Akquisition erfolgt vorwiegend durch persönliche Empfehlungen, örtliche Nähe einer Kanzlei, Fachaufsätze in Zeitschriften oder mediale Präsenz. Mittlerweile verfügen die meisten Großkanzleien auch über Social-Media-Kanäle, mit deren Hilfe Kunden akquiriert werden.
- Elektronisch übermittelte Newsletter helfen, bei der Mandantschaft im Gedächtnis und am Markt präsent zu bleiben.
- Laut Meinung von fachkundigen Personen ist die richtige Kommunikation mit der Kundschaft einer der Haupterfolgsfaktoren der Branche. Wichtig sei eine praxisnahe, verständliche Erklärung, die auf den jeweiligen Fall bezogen ist. Persönliches Vertrauen der Auftraggeber*innen, das insb. durch eine Klarstellung der Chancen und Risiken zu Beginn erreicht wird, sei der Grundstein für eine langfristige Zusammenarbeit.
- Bei öffentlicher Werbung ist folgendes zu beachten:
- Werbemöglichkeiten werden im Bereich der Rechtsberatung durch die Standesvorschriften beschränkt. Werbung muss wahr, sachlich, in Einklang mit Ehre und Ansehen des Standes sein.
- Der Trend geht seit einigen Jahren zu einer Lockerung des Werberegimes. Mittlerweile ist Werbung im Großen und Ganzen zulässig, sofern sie nicht marktschreierisch ist.
- Eine mediale Verunglimpfung sah der OGH in dem Werbespruch „nötigenfalls mit schlagkräftiger gerichtlicher und/oder medialer Durchsetzung” eines Rechtsanwaltes nicht, und wies den klagenden Anwalt ab (4Ob34/21k).
Trends
Covid-19
- Durch die Covid-19-Krise sind digitale Tools für die Rechtsberatung noch wichtiger geworden, um den hohen rechtlichen Beratungsbedarfs der Mandanten digital abwickeln zu können.
- Die Rahmenbedingungen rund um die Pandemie haben erhöhte Investitionen in Zukunftsbereiche zur Folge. Besonders Document Automation und Practice Management entwickeln sich auf internationaler Ebene stark.
- Aufgrund von Covid-19 und der damit eintretenden Möglichkeit der Kurzarbeit und Homeoffice sind aktuell zumindest kurzfristig besonders die Themengebiete Arbeits-, Miet-, Insolvenz- und Verwaltungsrecht sowie Banking & Finance gefragt.
- Durch die von Covid-19 ausgelösten wirtschaftlichen Einbußen kommt es zu einer steigenden Nachfrage nach Sanierungs- und Insolvenzexperten.
- Mietrechtliche Streitigkeiten (Zinsminderungsbegehren aufgrund behördlicher Schließungen) finden mittlerweile Einlagen bei den Gerichten höherer Instanz. Der OGH hat entschieden, dass Geschäftsraummieten nach einer behördlichen Schließung nicht zu zahlen sind.
- Als Folgefrage wird derzeit über die womöglich folgende Rückzahlung des Fixkostenzuschusses debattiert. Dieser wird u.a. für den Ersatz von Fixkosten (Miete) ausgezahlt.
- Das Außerkrafttreten des 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes wurde auf 30.06.2022 verschoben. Bis dahin sind mündliche Verhandlungen, Beweisaufnahmen und Anhörungen auch digital möglich.
- Rechtlich Interessantes bringt die Pandemie nach wie vor:
- Durch das Impfpflichtgesetz und die möglichen Bescheidbeschwerden befürchteten die Verwaltungsgerichte einen für sie nicht abzuarbeitenden Aufwand und fordern mehr Personal
- Eine neuerliche Aktivierung der Impfpflicht für Herbst 2022 ist noch offen.
- Ein Mehraufwand für die Justiz sind Delikte wie z.B. die Urkunden- und Datenfälschung im Zusammenhang mit Impfnachweisen bzw. Genesungsbescheiden. Das OLG Linz urteilte, dass eine Diversion bei solchen Delikten nicht möglich ist, weil dadurch der präventiven Wirkung von Strafen widersprochen wird (9 Bs 331/21x).
Allgemeine Trends
- Auftraggeber*innen fordern eine immer hochwertigere Rechtsberatung zu immer geringeren Kosten. Hierfür wird die Digitalisierung und Automatisierung der Branche als Potenzial für die nötige Effizienzsteigerung gesehen.
- Aktuell profitieren v.a. Kanzleien, die sich auf die Themen Datenschutz (DSGVO) und Vergaberecht (Vergaberechtsreformgesetz) spezialisiert haben.
- Es ist eine stagnierende bzw. sinkende Zahl an Gerichtsverfahren zu beobachten (z. B. in der Familiengerichtsbarkeit durch die Verschiebung von Streit- zu Schlichtungssystemen).
- Die Branche profitiert im Gegenzug von einer Erhöhung der regulatorischen und rechtlichen Anforderungen u. a. an Unternehmen.
- Das Wachstum generiert die Anwaltsbranche mit Beratungen und Vertragsverhandlungen. Die Beratungsfunktion gewinnt immer mehr an Bedeutung, sodass sich eine Änderung des Tätigkeitsprofils vom klassischen Berufsbild zum spezialisierten Berater zeigt.
- Ein weiteres Geschäftsfeld bietet sich in der Beratung von Start-ups, weil dadurch langfristige Kooperationen aufgebaut werden können.
- Durch eine verschärfte Strafverfolgung im Wirtschaftsstrafrecht erfährt Compliance, also Rechtskonformität, einen erheblichen Bedeutungszuwachs. Als Reaktion darauf wird von Kanzleien eine vorbeugende Beratung und Erstellung von internen Compliance-Richtlinien angeboten.
- Es zeigt sich außerdem eine zunehmende Internationalisierung. Für österreichische Rechtsberater*innen sind dabei besonders die verstärkte Betreuung von ausländischen investierenden Personen in Österreich sowie eine Erschließung neuer Märkte interessant. Dabei wird der Fokus auf Länder mit ähnlichem Rechtssystem gelegt und auf jene Balkanländer, die noch keine EU-Mitglieder, aber Beitrittskandidaten sind.
Zukunftsfelder
Als Zukunftsfelder gelten momentan insbesondere:
- IT-Recht: laut einer fachkundigen Person eines der wichtigsten Themen der Branche. Dies werde sich voraussichtlich in den nächsten Jahren auch nicht ändern. Digitalisierung zeigt sich in den verschiedensten Bereichen, vom Arbeitsrecht bis hin zu Haftungsfragen, und ist somit ein lukratives und komplexes Betätigungsfeld. Die Entstehung von neuen Technologien wie künstliche Intelligenz, das „Internet of Things“ und der Zugriff auf immer größere Datenmengen erfordern eine immer dringendere Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung und Kommerzialisierung von Daten, denn zukünftig gilt es Daten zu schützen sowie Know-how, Geschäftsgeheimnisse und andere immaterielle Güter zu sichern. Der Rechtsberatung kommt in diesem Bereich eine wichtige präventive Rolle zu.
- Datenschutz: Im Zusammenhang mit IT-Recht ist Datenschutz aktuell ein sehr wichtiges Thema. Es können „Datenlizenzen“ geschaffen werden, um die alleinige Nutzung von Daten sicher zu stellen. Durch das Inkrafttreten der DSGVO hat es für viele Branchen hinsichtlich des Schutzes von persönlichen Daten viele Neuerungen gegeben. In der Branche wird angenommen, dass es in datenökonomischer Hinsicht auch zukünftig neue Vorkehrungen geben wird.
- Digital Assests: Bezogen auf das digitale Recht werden in Zukunft auch vermehrt „digital assets“ wie das Patentrecht im Bereich der künstlichen Intelligenz oder die rechtliche Sicherung von Geschäftsgeheimnissen durch vertragliche Vorkehrungen geschützt werden müssen. Auch auf den Aspekt der Cybersecurity muss verstärkt geachtet werden.
- Das Urheberrecht sowie das Immaterialgüterrecht bei Verbreitungen in sozialen Netzwerken werden zukünftig ein noch wichtigeres Thema sein.
- Wichtig in diesem Zusammenhang ist v.a. auch eine Verknüpfung von Fachwissen aus nationalem und internationalem Recht.
- In der Urheberrechts-Novelle 2021 wurden freie Werknutzungen zu Gunsten von Text- und Data-Mining, die freie Nutzung von Zitaten für Karikaturen, Parodien oder Pastiches auf Online-Plattformen (Memes) sowie eine urheberrechtliche Verantwortung großer Plattformen für Uploads ihrer Nutzer*innen eingeführt.
- Der von der EU als Gesetzesvorschlag veröffentlichte Entwurf des „Artificial Intelligence Act“ wird seitens der EU als erster KI-Gesetzestext überhaupt bezeichnet. Der Vorschlag soll den Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz (KI) schaffen und dadurch in diesem Bereich für Rechtssicherheit, Innovationen und Investitionen sorgen.
Mitbewerb
Angebotsstruktur
- Trotz weiterhin hoher Konkurrenz hat sich der Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren etwas gelockert. Der Zuwachs an Anwältinnen und Anwälten hat sich tendenziell verlangsamt, während der Markt der Notarinnen und Notaren aufgrund einer festgeschriebenen Zahl an Amtsstellen weiterhin konstant bleibt.
- Auffällig ist eine regional ungleiche Konkurrenzsituation. Wien ist mit Abstand das größte Tätigkeitszentrum rechtsberatender Berufe und daher ist hier der Konkurrenzdruck hoch.
- Innerhalb der Branche zeigt sich bereits ein Trend zur Kooperation. In der Anwaltschaft gibt es international verschiedenste Varianten der Zusammenarbeit mit unterschiedlichem Integrations- und Exklusivitätsgrad durch internationale Partnerschaften, Referral-Netzwerke oder lockere Interessensvertretungen.
- Es besteht außerdem einen Trend zu "Boutique-Kanzleien", also kleineren Kanzleien mit maximal vier Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Diese Art der Kanzlei deckt nur wenige Rechtsbereiche ab, ist aber in diesen in hohem Maße spezialisiert.
- Aufgrund des Trends zur Digitalisierung gibt es immer mehr Online-Plattformen, die automatisierte Rechtsberatung anbieten und so den Klienten auf einfachem Weg günstig oder gratis Rat anbieten.
- Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (6Ob187/21z) muss ein Anwalt seine Kundschaft nicht über die Möglichkeit einer kostenlosen Vertretung durch die Arbeiterkammer informieren.
Top Player
- Die größten Anwaltskanzleien (gemessen an der Anzahl von Juristinnen und Juristen) in Österreich sind (Trend, 2022):
- Schönherr (143)
- Wolf Theiss (141)
- Cerha Hempel (115)
- Binder Grösswang (112)
- Freshfields (100)
- CMS (91)
- Die Top 6 marktführenden Kanzleien sind seit über 10 Jahren die gleichen, bei den rechtsberatenden Berufen verändern sich die Marktteile somit kaum.
Brancheninterne Konkurrenz
- Die Geschäftsfelder von notariell arbeitenden Personen und Rechtsvertreter*innen überschneiden sich in gewissen Bereichen, so dass es durchaus zur Konkurrenz kommen kann. Aktuell zeigt sich, dass sich erstere vermehrt im Bereich der privatrechtlichen Vertragsgeschäfte einbringen, während im Gegenzug zweitere in den Erbrechtsbereich drängen. In der Parteienvertretung vor Gericht ist das Notariat im Gegensatz zur Anwaltschaft beschränkt.
Branchenfremde Konkurrenz
- Wirtschaftstreuhänder*innen konkurrieren vermehrt mit rechtsberatenden Personen. Wirtschaftstreuhänder*innen dürfen ihre Kundschaft in allen rechtlichen Belangen beraten und in einigen, wie z. B. in Verwaltungsstrafverfahren, auch vertreten.
- Rechtsberatende Vereine (v. a. in den Gebieten Arbeits-, Miet- und Konsumentenschutz- und Asylrecht).
- Konkurrenz im Internet: Bestimmte Websites spezialisieren sich auf Online-Beratung und z. B. die Überprüfung von Verkehrsstrafen oder Entschädigungen bei Flugverspätungen.
- Größere Unternehmen beschäftigen in der Regel eigene In-House-Rechtsabteilungen.
Internationale Konkurrenz
- Der österreichische Rechtsmarkt ist im internationalen Vergleich sehr klein.
- International agierende Anwaltsunternehmen sind nur in größeren Städten, v.a. in Wien, angesiedelt.
- Internationaler Mitbewerb in Österreich ist wegen der Zulassungsbeschränkungen und Anerkennungsschwierigkeiten von Abschlüssen nur bedingt relevant. Der größte Teil internationaler Konkurrenz stammt aus dem EU-Ausland und ist als “Europäischer Rechtsanwalt“ eingetragen (Ende 2021 101 europäische Anwältinnen und Anwälte).
- Ein Vorbehalt des Notariats für österreichische Staatsangehörige ist durch ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht mehr möglich. Voraussetzung ist nun die Staatsbürgerschaft eines EWR-Staates und ein abgeschlossenes Studium des österreichischen Rechts. Durch die Einschränkung auf das österreichische Studium ist die Öffnung jedoch eher eine formale.
Die Fremdleistungen in der Rechtsberatung betrugen 2019/20 durchschnittlich 18,3 % der Betriebsleistung. Dieser hohe Anteil zeigt, dass die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern in dieser Branche eine bedeutende Rolle spielt. Im Vergleich zu 2010/11 hat sich der Fremdleistungsanteil um 1,4 %-Punkte verringert. (Quelle: KMU Forschung Austria, Bilanzdatenbank)