Unterschiedliche Auswirkungen der Corona-Krise auf die Medizintechnik-Branche
- Einerseits enorme Nachfrage nach bestimmten Medizinprodukten, vor allem nach Beatmungsgeräten.
- Andererseits massiver Nachfrageeinbruch durch die Verschiebung nicht akuter Untersuchungen und Operationen.
Wachstumstreiber der Medizintechnikbranche
- Wachsende und alternde Bevölkerung
- Zunahme der Personen mit dauerhaften Krankheiten oder chronischen Gesundheitsproblemen
- Steigendes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung
Mitbewerb
- Österreichs Medizintechnikunternehmen sind typischerweise KMU, vor allem Start-ups
- Aufgrund der Covid-19-Pandemie wird es zu einer beschleunigten Marktkonsolidierung kommen, vor allem zulasten kleinerer Unternehmen.
- Bislang branchenfremde IT- Unternehmen drängen in den Markt und treten in Konkurrenz mit etablierten Medizintechnikunternehmen
- Synergien/Kooperationen mit anderen Unternehmen wichtig, um raschere Reaktionen auf die akute Nachfrage und neuartige Lösungen zu ermöglichen
Erfolgsfaktoren
- Kooperationen mit Zulieferern, angrenzenden Technologiefeldern oder Forschungseinrichtungen um Kräfte zu bündeln
- Investitionen in F&E
- Diversifizierung der Produktlinien
- Höhere Lagerbestände, zur Vermeidung zukünftiger Engpässe
Branchendefinition: Diese Branche umfasst die ÖNACE 2008 – Gruppe 26.6 Herstellung von Bestrahlungs- und Elektrotherapiegeräten und elektromedizinischen Geräten und damit u. a.:
- Geräte, die Beta-, Gamma-, Röntgenstrahlen verwenden und sonstige Bestrahlungsgeräte
- Computertomografen
- Positron-Emissionstomografen
- Magnetresonanztomografiegeräte
- Ultraschalldiagnosegeräte
- Elektrokardiografe
- Herzschrittmacher
- Hörgeräte, etc.
Im Jahr 2020 boten die 60 Hersteller von Bestrahlungs-, Elektrotherapie- und elektromedizinischen Geräten fast 2.600 Personen einen Arbeitsplatz, wovon rund 2.500 unselbstständig beschäftigt waren. Die durchschnittliche Unternehmensgröße lag damit bei etwa 41 Mitarbeiter*innen je Unternehmen. Die Betriebe erwirtschafteten insgesamt Umsatzerlöse in der Höhe von rd. € 0,79 Mrd.
Trends
- Die Medizintechnikbranche gilt als relativ konjunkturunabhängig, daher sollte der weltweite Konjunktureinbruch in Folge der Coronavirus-Pandemie die Nachfrageseite vergleichsweise gering treffen.
- Unterschiedliche Auswirkungen der Corona-Krise auf die Medizintechnik-Branche
- Einerseits erfährt die Medizintechnikbranche (MedTech-Unternehmen) eine beispiellose Nachfrage nach bestimmten Medizinprodukten, vor allem nach Beatmungsgeräten.
- Andererseits massiver Nachfrageeinbruch durch die weltweite Verschiebung planbarer, nicht akuter Untersuchungen und Operationen.
- Nachfrageentwicklung nach MedTech wird davon abhängen, wie die Spitäler den Balanceakt zwischen Corona-bedingter Akut- und Regelversorgung meistern.
- Langfristig betrachtet bleibt die Medizintechnikbranche auf Wachstumskurs. Zu den Wachstumstreibern der Branche zählen:
- Demografische Entwicklung: Auch mittelfristig anhaltender Trend zur wachsenden und alternden Bevölkerung in Österreich. Bis 2040 wird die Gesamtbevölkerung auf 9,45 Mio ansteigen, der Anteil an über 65-Jährigen wird von derzeit 18,9 % auf 26,4 % steigen (Bevölkerungsprognose 2020, Statistik Austria)
- Zunahme der Personen mit dauerhaften Krankheiten oder chronischen Gesundheitsproblemen
- steigendes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung
- Öffentliche Nachfrage
- Aufgrund der budgetären Engpässe der Krankenkassen ist mit einem höheren Preisdruck für Hersteller elektromedizinischer Geräte zu rechnen.
- Neuausrichtung auf effiziente Gesundheits- und Pflegesysteme bietet Chancen für die Entwicklung neuer Tools und Infrastrukturen (z. B. Fernüberwachung, Gesundheits-Apps).
- Im Zuge der Pandemie wurde Nachholbedarf in der Ausstattung des Gesundheitswesens offengelegt.
- Private Nachfrage
- Steigende private Nachfrage nach Produkten der Medizintechnik vor allem ab dem 75. Lebensjahr.
- Benutzerfreundlichkeit medizintechnischer Geräte sowie das Gerätedesign bedeutsam: Vertraute Bedienkonzepte (z. B. Touchscreens) der Unterhaltungselektronik fließen in die Geräteentwicklung ein.
Mögliche Auswirkungen der Medizinprodukteverordnung
- Medizintechnik-Branche in Europa steht durch die Medizinprodukteverordnung (MDR bzw. Medical Device Regulation) vor großen regulatorischen Veränderungen.
- Das gesetzgeberische Ziel dahinter ist die Sicherheit von Medizinprodukten für Patient*innen sowie Anwender*innen.
- Aufgrund der erhöhten Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Entwicklung und Überwachung von Medizinprodukten in der EU lässt sich ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Medizinproduktverordnung bereits Folgendes beobachten:
- steigende Produktpreise
- weniger Neuentwicklungen und sinkender Innovationskraft und als Folge dessen
- nachlassende Produktvielfalt
- hohe Anforderungen, zugleich aber nicht genügend Prüf- und Zulassungsstellen
- Bis 2024 gibt es noch die Übergangsfrist zur Zertifizierung von Medizinprodukten. Anschließend könnten zahlreiche Produktgruppen verschwinden und in einigen Fällen lassen sich möglicherweise keine Alternativen am Markt finden. Betroffen hiervon sind 30 % aller Medizinprodukte. (aerzteblatt.de, 18.5.2022)
Verhalten der Kundinnen und Kunden
- erweiterter Gesundheitsbegriff in Richtung mehr Lebensqualität
- zunehmende Annäherung von Medizintechnik und Wellnessbereich
- „Sportivity“: HealthCare und Lifestyle gehen Hand in Hand
- Health Literacy: zunehmend eigenverantwortliche Recherche zu Gesundheitsthemen und –trends und damit steigende Erwartung an die Medizintechnik
- „Symptom-Checker“ boomen durch die Corona-Pandemie. Die Apps geben nach Eingabe von Symptomen mögliche Diagnosen an. Ob Symptom-Checker einen Nutzen haben, ist laut Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) fragwürdig. (medizin-und-technik.industrie.de, 17.12.2021)
- Wichtigster Absatzmarkt der meisten Medizintechnikprodukte ist der stationäre und ambulante Sektor der Gesundheitsversorgung. Dieser ist von wachsendem Preisdruck gekennzeichnet.
- Zu den umsatzstärksten Gerätekategorien zählt die diagnostische Bildgebung.
- Etwa. 1,8 Mio. Österreicher*innen hören schlecht, die Hälfte davon benötigt technische Hilfe, um den Verfall der Hörleistung aufzuhalten (www.nachrichten.at).
- Hörhilfen sind jedoch ein Tabuthema und unattraktiv: Nur etwa 400.000 Österreicher*innen haben ein Hörgerät.
- Oft braucht es bis zu mehreren Jahren, bis sich Betroffene an eine Hörakkustikerin oder einen Hörakkustiker wenden.
- Durchschnittliche*r Erstkäufer*in ist 72 Jahre alt.
Mitbewerb
Brancheninterner Wettbewerb
- Österreichische Medizintechnikunternehmen sind typischerweise kleine oder mittelgroße Unternehmen.
- Vor allem Start-ups tragen in dieser Branche zu Innovationen und Wachstum der Branche bei.
- Durch die Covid-19-Pandemie wird es zu einer beschleunigten Marktkonsolidierung kommen, vor allem zulasten kleinerer Unternehmen.
- Die Marktkonzentration wird weiter zunehmen.
- Top Player in Österreich:
- GE Healthcare
- Greiner Bio-One
- MED-EL
- Neuroth
- Heltschl
Branchenfremder Wettbewerb
- Bislang branchenfremde IT- Unternehmen werden mittelfristig in den Markt vorstoßen und in Konkurrenz mit etablierten Medizintechnikunternehmen treten. Da Innovationen meist daten- und softwaregetrieben sind, drohen vor allem bestehende KMU, den Anschluss zu verlieren.
- Auch Automobilzulieferer nutzen verstärkt ihr technologisches Know-How und drängen auf den Markt der Medizintechnik.
- Insbesondere während der Covid-19 Krise sind Synergien mit anderen Unternehmen entscheidend, um raschere Reaktionen auf die akute Nachfrage und neuartige Lösungen zu ermöglichen.
- Mergers & Acquisitions als wichtige Wachstumsstrategien in der Medizintechnik: Zusammenschlüsse werden branchenübergreifend vor allem durch die Bereiche Medizintechnik und Life-Sciences erwartet.
- Internationale Konkurrenz
- Österreich gilt als führend in Forschung und Entwicklung in vielen Bereichen der Medizintechnik.
- Die USA sind der größte Medizintechnik-Markt der Welt und Vorreiter in den Bereichen e-Health und künstliche Intelligenz.
- Expert*innen sehen mittlerweile Asien führend bei Produktinnovationen und befürchten, dass Europa in diesem Feld dramatisch zurückfallen wird.
- Die regulatorischen Anforderungen für Zulassung und Vertrieb von medizintechnischen Produkten unterscheiden sich im internationalen Vergleich zum Teil stark. (Luther/Clairfield International 2020)
- Aus den Emerging Markets etablieren sich vorrangig so genannte "Good-Enough-Products", die ausreichende Qualität bei deutlich geringeren Preisen aufweisen.
Erfolgsfaktoren
- Umsetzen neuer Geschäftsmodelle, etwa Kooperationen mit Zulieferern, angrenzenden Technologiefeldern oder Forschungseinrichtungen um Kräfte zu bündeln und international sichtbarer zu werden
- z. B. Medizintechnik-Cluster Oberösterreich mit 230 MedTech-Partnern vereint Hersteller, Zulieferer, F&E-Einrichtungen, Gesundheitseinrichtungen und Dienstleister sowie Start-ups.
- Kooperationen mit Herstellern von smarten Produkten (Uhren, Mobilfunk und Sensorik)
- Zusammenarbeit mit Anwender*innen (z. B. Ärzt*innen, Pflegepersonal) kommt in der Produktentwicklung hohe Bedeutung zu; Hersteller haben hierfür eigene Prozesse geschaffen
- Investitionen in F&E
- Diversifizierung der Produktlinien, um den sich häufig ändernden Marktbedingungen gerecht zu werden.
- Service- und Dienstleistungsorientierung: Herstellung benutzerfreundlicher, einfach anwendbarer Geräte
- Höhere Lagerbestände, zur Vermeidung zukünftiger Engpässe
- Erschließung neuer Produkt- oder Anwendungsbereiche